Kunst und Leben zu vereinigen, war ein zentrales Anliegen der Lebensreform-Bewegungen um 1900. Kunst und Leben stellten auch für Schultze-Naumburg eine untrennbare Einheit dar. Jedoch verknüpften sich bei ihm ästhetische Urteile wie schön und hässlich mit moralischen Werten wie gut und schlecht. Diese gedankliche Kombination durchdringt auch sein schriftstellerisches Hauptwerk, die Kulturarbeiten. |
Beispiel 1 | Gegenbeispiel 1 | |
Der Zweck des insgesamt
neunbändigen, zwischen 1901 und 1917 erschienenen Werkes
war nach Schultze-Naumburgs eigenen Worten, der
entsetzlichen Verheerung unseres Landes auf allen
Gebieten sichtbarer Kultur entgegenzuwirken. Der
Titel Kulturarbeiten sollte auf den Beitrag
aufmerksam machen, den jeder Einzelne leistet, indem er
einen gestalterischen Einfluss auf seine Umwelt ausübt. Denn an der Gesamtgestaltung der Umwelt arbeiten nach Schultze-Naumburg alle mit, der Bauer und der Ingenieur, der Kaufmann und der Gärtner, der Seemann wie der Soldat, der Förster wie der Baumeister, alle, vom Chausseearbeiter an, der die Straße glatt macht, bis zu der alten Frau, die ihre Blumen vorm Dachkammerfenster zieht. Folglich beziehen sich die einzelnen Bände der Kulturarbeiten auf die gesamte Umwelt, auf die der Mensch gestalterisch einwirkt. Sie beginnen mit dem Hausbau und wenden sich dann Fragen der Gartengestaltung zu, der Anlage von Dörfern und Neubausiedlungen, dem Städtebau, den Kleinbürgerhäusern, dem Schlossbau bis hin zur gesamten Gestaltung der Landschaft durch den Menschen. |
Beispiel 2 | Gegenbeispiel 2 | |
Die Kernaussage der Kulturarbeiten lautet, dass mit dem Beginn der Industrialisierung, den Schultze-Naumburg für Deutschland mit dem Ende der Goethezeit um 1830 gleichsetzte, die Gestaltungskraft des Menschen kontinuierlich gesunken sei. Diese Auffassung belegt er durch beigegebene Abbildungen, die er als Beispiel und Gegenbeispiel miteinander konfrontiert. Als positives Beispiel gilt für ihn die Zeit vor der Industrialisierung, als negatives Gegenbeispiel die eigene Gegenwart. Wolle man Besserung erzielen, dann müsse man dort wieder anknüpfen, wo der Faden der traditionellen Überlieferung gerissen sei. |
Beispiel 3 | Gegenbeispiel 3 | |
Was Schultze-Naumburg am
traditionellen Bauen so beeindruckte, war die
Selbstverständlichkeit, mit der die Bauleute einst jede
gestellte Aufgabe zu lösen gewusst hätten. Diese
Selbstverständlichkeit beruhte seiner Überzeugung nach
auf der bindenden Konvention, innerhalb derer
gestalterische Leistungen damals erbracht worden wären. Die Rückbesinnung auf die Goethezeit bedeutete für Schultze-Naumburg mehr als nur eine stilistische Erneuerung. Es war der Versuch einer Erneuerung durch die Rückkehr zu einer festen Konvention. Nur eine verbindliche Tradition ermögliche es dem Baumeister und jedem Einzelnen, seine Kulturarbeit zu leisten. |
174
Seiten, davon 61 in Farbe 243 Bilder Herstellung
und Verlag: ISBN 9783756202447 Ladenpreis: 17 Euro |