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Aus: J. de Vries: "Altgermanische
Religionsgeschichte", Band I, de Gruyter 1970 |
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Kapitel IX B. |
Der heilige Ort |
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Die
Gipfel von Bergen und Hügeln wurden von den Germanen,
wie das auch von anderen indogermanischen Völkern
überliefert ist, für besonders heilig gehalten. Sie
sind oft einem bestimmten Gotte geweiht, und werden nach
diesem benannt; so gibt es in Deutschland mehrere
Wodansberge, später in Godesberge geändert, die schon
J. Grimm als Zeugen für den Kult dieses Gottes gesammelt
hat. Außer Godesberg bei Bonn (ältere urkundliche Form:
Wodenesberg) gibt es in Niedersachsen noch drei, in
Thüringen noch zwei solcher Namen. Daneben finden wir
auch zahlreiche Donnersberge die jedenfalls
teilweise einen auf hohen Gipfeln dem Donnergotte
dargebrachten Kult bezeugen können. |
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Daß
auch in Skandinavien Berge für kultische Verehrung
bevorzugt wurden, lehrt eine Stelle in Aelfrics Homilie
De falsis deis; dort wird gesagt, daß die Nordleute in
England dem Gotte Öpon auf hohen Bergen opferten. Dazu
stimmt, daß in Flurnamen Woden nicht selten in
Verbindung mit beor vorkommt, einem Wort, das freilich
sowohl "vorgeschichtliches Grab" wie
"Berg" bedeuten kann. Aber auch in der
altnordischen Dichtung tritt Ödinn in einer kultischen
Beziehung zu einem Berg auf. |
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Ein
aufschlußreiches Beispiel für einen uralten
germanischen Bergkult ist die an den schlesischen
Zobtenberg geknüpfte Verehrung. Zum Jahre 1017 bezeugt
Thietmar diesen heiligen Berg "in pago
Silensi"- deshalb heißt er auch Silingberg- als
einen Ort, wo die Slaven ihren abscheulichen Götzenkult
ausübten. Sie sind aber auch in dieser Hinsicht nur die
Erben der früheren germanischen Bevölkerung, und zwar
der Vandalen. Ob man das Recht hat, diesen Kult mit jenem
von Tacitus erwähnten der Naharnavalen gleichzusetzen,
bleibt jedoch fraglich. Für Skandinavien können wir
noch mehrere Ortsnamen hinzufügen; ich nenne
beispielsweise die norwegischen Namen Odinsberg, Freberg
oder Enøberg, Torshaug, die schwedischen Fröberga,
Nälberga, die dänischen Torsberg, Naera (aus
Niartharhøghae). |
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Die
heidnischen Germanen haben für öffentliche Handlungen,
die einen mehr oder weniger religiösen Charakter gehabt
haben, gerne hochgelegene Stellen gewählt. In erster
Linie gilt das von der Dingversammlung; sie fand
vorzugsweise auf einem natürlichen oder sogar von
Menschenhänden aufgeworfenen Hügel statt; hier steht
der logberg des isländischen Aldings neben dem
fränkischen Malberg. Einige Male hören wir, daß der
König, wenn er seines Herrscheramtes waltet, sich auf
einen Hügel setzt. Hrollaugr, ein Kleinkönig aus
Naumudal, soll sich auf folgende Weise der Herrschaft von
Haraldr härfagri unterworfen haben: er begab sich auf
den Hügel, auf dem die Könige zu sitzen gewöhnt waren,
und ließ dort den Hochsitz herrichten. Nachdem er sich
darauf gesetzt hatte, ließ er auf den Schemel, auf dem
die Jarle zu sitzen pflegten, Kissen legen; darauf stand
der König von seinem Sessel auf und setzte sich auf die
Bank der Jarle. Während Lehmann diesen Brauch daraus
erklärt hat, daß der Hügel das Ahnengrab war und
deshalb als Sippenheiligtum verehrt wurde, hat A. Olrik
darauf hingewiesen, daß der Hügel deshalb gewählt
worden ist, weil er als erhabener Ort heiliger und
feierlicher war. Diese Ansicht wird noch dadurch
gestützt, daß man auch in anderen Fällen eine erhöhte
Stelle zu einer feierlichen Handlung bevorzugt hat;
Veleda, die berühmte Seherin der Brukterer, gab ihre
Ratschläge auf einem Turm; Snorri godi aber begibt sich
auf den Berg Helgafell, wenn er heilvollen Rat finden
will; der pulr sitzt auf einem Hügel, die seickona auf
ihrem hjallr; die Götter setzen sich auf ihre rQksftlar
(s. Nordal, Völuspa). |
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Es ist
gewiß richtig, daß der Königshügel nicht immer eine
Grabstätte zu sein braucht. Denn die Vorstellung ist
uralt, daß der Hügel als Kraftzentrum der Erde
Verehrung genoß: bei den antiken Völkern bestand der
Glaube, daß die Erde dort, wo sie sich erhebt, lebe.
Aber ein Hügel in der Nähe des Königsgehöftes ist
doch wohl als das Grab eines Vorfahrs zu betrachten, und
dieses ist nicht weniger ein Gegenstand kultischer
Verehrung gewesen. Wir wissen sogar, daß Königsgräber
mehrfach als Dinghügel benützt worden sind; schon Jakob
Grimm hat auf einen Gerichtstermin hingewiesen, den ein
Graf Warinus auf Befehl Karls des Großen im Jahre 795 im
Zusammenhang mit der Festlegung der Grenze der Mark
Heppenheim abhielt; die Quelle redet von einem placitum
... ad furnulurn qui dicitur Walinehoug. Ähnliches gilt
auch für Skandinavien. In mehreren Überlieferungen
gehören das alte Königsgrab und der Krönungsstein
zusammen, poetisch verklärt in dem Lied von der
Hunnenschlacht: das heilige Grab in Gotthjod, der schöne
Stein in Danparstac; aber auch als Erinnerung an
wirkliche Verhältnisse. Das erinnert uns aber auch an
den in den norwegischen Gesetzen erwähnten Odalshaug,
das ist der Grabhügel, unter dem der Ahnherr eines
Bauerngeschlechtes bestattetworden ist und dessen Besitz
eine sowohl rechtliche wie religiöse Bedeutung hatte:
der Bauer, der von dem in dem Hügel begrabenen Manne
abstammte und deshalb den Hof besaß, hieß sogar
Haugodelsmannen. |
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Der
nordische König auf seinem Ahnengrab mahnt uns an die
Verbindung von Thron und Grab in griechischen religiösen
Vorstellungen; hier konnte er in unmittelbare Berührung
mit den Ahnengeistern seiner Sippe treten und durch ihr
übernatürliches Wissen belehrt werden. Wenn das die
Erklärung ist, führt uns dieser Brauch weit in die
Vorzeit zurück. L. Olsen hat darauf hingewiesen, daß
die mit haugr zusammengesetzten Ortsnamen im Gebiet von
Trondheim einen Ahnenkult. voraussetzen, der in der
Periode von etwa 300600 dort geblüht hat; dieser
stand gänzlich außerhalb der eigentlichen
Götterverehrung und hat die Grundlage zur staatlichen
Organisierung dieser Gegend gebildet. |
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Auch
besonders die Aufmerksamkeit auf sich ziehende Steine
wurden von den Germanen verehrt. Schon der Indiculus hat
eine Kapitelüberschrift de his, quae faciunt super
petras; in Karls des Großen Admonitio generalis c. 65
lesen wir: item de arboribus vel petris vel fontibus, ubi
aliqui stulta luminaria vel alias observationes faciunt.
In zahlreichen späteren Bestimmungen wird die Verehrung
von Steinen zusammen mit der von Bäumen und Quellen als
heidnischer Unfug angeprangert. Für einen Steinkult, der
von den ältesten Zeiten bis in die Gegenwart
hereinreicht haben wir aus der an. Literatur (las
hübsche Beispiel von Kodran: er soll einen ármadr
verehrt haben, der in einem Stein wohnte, und Bischof
Fridrekr soll ihn (um 982) mit starken Beschwörungen
vertrieben haben, indem der Stein sich spaltete.
Übrigens sind die Nachrichten spärlich und wenig; aber
daß trotzdem ein solcher Kult sehr verbreitet gewesen
ist, beweist das Gebot im Upplandgesetz, daß aengin skal
... a lundi aellr stenae troae (Kirkiu balkaer Ipr). Es
ist daran zu erinnern, daß dem norwegischen Volksglauben
gemäß in einem tief und fest im Boden wurzelnden Stein
ein troll hausen soll |
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Ein
feierlicher Eid wurde geschworen, indem man sich auf
einen Stein hinstellte; das erzählt die Hoensna-Póris
saga C. 12 von Hersteinn, der auf seiner Hochzeit
gelobte, daß er den Goden Arngrimir friedlos legen
wollte. Auch in dem Eddalied Gdr III wird Str. 3 von
einem Eid at inom hvita helga steini (bei dem weißen
heiligen Stein) gesprochen). Als Olafr Tryggvason in
Rimul im Gaulardal ein húsping abhielt, erzählt die
Heimskringla, daß er auf einem großen Stein stand. |
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Das
erinnert an die Sitte, daß der König bei seiner
Krönung auf einem eigens dazu bestimmten Stein stehen
sollte: in Schweden war das der Mora-Stein, in Dänemark
der Danaerygh in der Nähe von Viborg. Saxo Grammaticus
beschreibt das als eine alte Gewohnheit bei den Dänen: |
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lecturi
regem ueteres affixis humo saxis insistere suffragiaque
promere consuerant. |
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Bei
öffentlichen Amtshandlungen hatte der altschwedische
König seinen Sitz auf einem Hügelthron. Gut bewahrt ist
ein solcher Königssitz im Smaland, bei Inglingehögen in
Värend: oben auf dem flach abgetragenen Gipfel eines
riesigen Hügels liegt eine mit blattähnlichen
Ornamenten (an irische Vorbilder erinnernd)
sonnenstrahlähnlich skulptierte Steinkugel, die als
Königssitz gedient haben muß, weil stuhlrückenähnlich
dahinter ein hoher, breiter, flacher Bautastein in
zurückgelehnter Stellung sich befindet. Hier finden wir
also alles beisammen: das Ahnengrab, der Stein als
Königsthron, beide als Zentrum der im König
verkörperten religiösen und politischen Macht. Auch in
England hören wir von einem Aegelnodes stán, wo die
Dingversammlung von Herfordshire stattfand. |
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John
Meier hat in einer sehr viel volkskundliches Material
beibringenden Untersuchung den Beweis geliefert, daß der
Stein, an den rechtliches Brauchtum geknüpft war,
ursprünglich ein Grabstein, und zwar der Deckstein eines
Dolmengrabes gewesen ist. Auch wenn der Stein
"erdfest" (norw. jordfast) genannt wird, ist
damit ein solcher Grabstein gemeint. Über das ganze
germanische Gebiet ist ein "Brautstein"
entweder in dem noch lebenden Brauchtum, oder allenfalls
in der Sagenüberlieferung bezeugt; die junge Frau sollte
sich von der heiligen Gemeinschaft des elterlichen Hauses
trennen, indem sie auf das Ahnengrab ihrer eigenen Sippe
trat und sich in die Gemeinschaft der Mannessippe auf
ähnliche Weise aufnehmen ließ. Neben dem Treten auf den
Stein finden wir oft das Umschreiten oder Umtanzen. Wenn
wir die Verbreitung dieses Brauches betrachten und
überdies erwägen, daß der Stein ursprünglich zu einem
Dolmengrab gehört haben soll, so kann man Meiers
Schlußfolgerung, daß hier ein indogermanischer
Hochzeitsbrauch angenommen werden darf, nur billigen. |
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Wie
sollte die Quelle nicht zu mancherlei Verehrung Anlaß
geben? Am heißesten Sommertage sprudelt das Wasser
eiskalt aus dem Boden hervor. Seine lebensspendende Kraft
zeigt sich durch den frisch-grünen Rasenteppich, den es
hervorgezaubert hat, auch wenn ringsum öde Dürre sich
ausbreitet. Und wie scheint das stille unaufhörliche
Raunen des aufsprudelnden Wassers in der Tiefe verborgene
Geheimnisse dem lauschenden Ohre zu offenbaren. |
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Allen
indogerinanischen Völkern ist die kultische Verehrung
von Quellen und Flüssen gemeinsam. Die Germanen machen
keine Ausnahme. Beispiele für einen solchen Kult haben
wir schon aus vorhistorischen Zeiten; ich erinnere nur an
den bronzezeitlichen Fund von Budsene. |
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Tacitus
erzählt, daß die Hermunduren und Chatten verbittert um
den Besitz eines salzhaltigen Flusses gekämpft haben,
und daß sie dazu besonders ein religiöser Grund
angereizt hatte: sie glaubten, daß man an einer solchen
Stelle dem Himmel am nächsten sei, und daß dort die
Gebete der Menschen von den Göttern am gnädigsten
erhört würden. Quellen- und Flußopfer bezeugen uns
klassische und frühmittelalterliche Autoren für die
Alamannen (Agathias 28, 4), die Franken (Gregor von Tours
II, und Prokop, Beil. goth. II, 25) und die Sachsen
(Rudolf von Fulda, MG V, 676). Als Willebrord die Insel
Fositesland besuchte, fand er dort eine heilige Quelle,
aus der man nur schweigend schöpfen durfte. |
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Die
heilige Kraft von Quellen und Flüssen geht auch daraus
hervor, daß man daraus weissagte. Plutarch erzählt,
daß Frauen auf Grund ihrer Blicke in die Strudel der
Flüsse und ihrer Schlüsse aus den Wirbeln und dem
Murmeln der Bäche weissagten und warnten, vor Vollmond
eine Schlacht zu liefern. |
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Auch
die kirchlichen Bußbücher verbieten wiederholt den
Quellen oder Flüssen dargebrachten Kult. Wir erwähnen
nur die folgende Bestimmung aus Karls des Großen
Sachsengesetz c. 2: Si quis ad fontes aut arbores vel
lucos votum fecerit aut aliquit more gentium obtulerit et
ad honorem daemonum commederet. |
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Besonders
heilkräftige Quellen wurden mit frommer Ehrfurcht
betrachtet. Der Glaube an die Kraft des Wassers aus
solchen heilawác oder heilwaege genannten Quellen hat
sich auch nach der Bekehrung erhalten, wurde nur in
christlichem Sinne umgestaltet. Nur zu bestimmten Zeiten
und unter besonderen Bedingungen (schweigend) sollte das
Wasser geschöpft werden. Sogar verjüngende Kraft
schrieb man dem Brunnen zu und nannte ihn deshalb
iuncprunno oder quecprunno. |
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Wie
tief die Verehrung von Bäumen bei den heidnischen
Germanen verwurzelt war, zeigen uns wieder die
zahlreichen Verbote in der christlichen Zeit. Der Landtag
zu Paderborn (785) eiferte gegen die vota ad arbores, wie
Gregor I. in einem Brief an Königin Brünhilde (597)
schon eingeschärft hatte, ut cultores arborum non
existent. Wie eindringlich bezeugt uns das die Nachricht
über Bonifatius, der die heilige Eiche bei Geismar
fällen ließ, die schon durch ihren Namen robur Jovis
ihre hohe kultische Bedeutung zeigt. In verchristlichter
Form hat diese Baumverehrung sich noch bis auf den
heutigen Tag erhalten. |
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Gerne
pflanzt der germanische Bauer auf seinem Hof einen Baum,
von dem er Schutz erwartet und dem er kleine Gaben
spendet. In Skandinavien heißt ein solcher Schutzbaum
der Sippe norw. tuntre, schw. várdträd; er ist
gewöhnlich eine Linde oder eine Esche. Später hat man
ihn als den Sitz des Schutzgeistes der Sippe und der
Siedlung betrachtet. Es gibt daneben auch mancherlei
Bäume, denen heilkräftige Wirkung zugeschrieben wird
und an denen deshalb magische Handlungen vollzogen
werden. |
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Es hat
aber neben diesen privaten Kulten auch eine
Baurnverehrung gegeben, die einen öffentlichen Charakter
hatte. Bei dem Tempel in Uppsala stand ein gewaltiger
Baum unbekannter Art, der seine Äste weithin ausbreitete
und Winter und Sommer grün war (Adam von Bremen, Scbol.
138), also ganz wie jene Platane in der kretischen Stadt
Gortynia, die nahe einer Quelle stand und niemals ihre
Blätter verlor (Theophrast, Hist. plant. I, 15). Solche
Bäume hatten in der mythischen Sphäre ihr Urbild: der
Weltbaum Yggdrasil, dessen Bedeutung wir später
behandeln werden. |
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Die
kultische Verehrung von Bäumen gibt uns keinen Anlaß,
sie als den Wohnsitz übernatürlicher Wesen zu
betrachten. Wir haben schon die zu weitgehenden
Schlußfolgerungen Mannhardts zurückgewiesen, die
volkstümliche Vorstellungen wie die von den Fanggen,
Holzfräulein, Ellepiger oder Skogssnuvur durch in den
Bäumen wohnende göttliche Wesen erklären wollte. Weder
der Taxus in Uppsala, noch das robur Jovis in Geismar,
noch die Eiche in Dodona waren heilig, weil ein Gott
darin gehaust haben sollte. Sie standen nur in einer
besonders engen Beziehung zu den Göttern. Der Baum war
an sich schon heilig und zwar durch den symbolhaften
Charakter des natürlichen Wachstums. |
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Tacitus
hat in seiner Germania die schönen Worte für den
germanischen Kult geprägt: Die Götter nicht innerhalb
der Wände einzuschließen oder irgendwie nach der Art
des menschlichen Antlitzes zu bilden, entspricht nach
ihrer Auffassung der Hoheit des Himmels. Sie weihen
Wälder und Haine, und sie belegen mit Götternamen jenes
Geheimnisvolle, das nur ihr frommer Schauder sieht. Die
Verehrung des Waldes geht auch aus anderen Berichten
hervor: die heiligen Orakelpferde werden in solchen
Hainen gehalten. Civilis ruft die Stammhäupter zu einer
Beratung sacrum in nemus zusammen, und wenn Tacitus dazu
bemerkt, daß dies geschah specie epularum (Hist. 4,14),
so können wir davon überzeugt sein, daß die sakrale
Mahlzeit notwendiger Teil der Vertragschließung war. Aus
eben denselben Hainen werden auch die als Heerzeichen
gebrauchten Tierbilder (ferarum imagines) hervorgeholt. |
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Der
Wald war bestimmten Gottheiten geheiligt. Tacitus teilt
uns mit, daß die Semnonen in einem Wald dem regnator
omnium deus opferten (Germ. c. 39) und erzählt von dem
castum nemus, das der Göttin Nerthus geweiht war (Germ.
c. 40). In der Nähe der Weser gab es eine silva Herculi
sacra (Ann. II, 12). Als Germanicus, um die
Varus-Niederlage zu rächen, bis in den Teutoburger Wald
vorrückte, fand er in den Waldlichtungen die Altäre der
Cherusker, an denen sie die Tribunen und Centurionen
geschlachtet hatten (Tacitus, Ann. I, 61). |
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Ebenso
wie bei den übrigen indogermanischen Völkern waren also
besonders die Wälder heilige Stätten. Wir haben schon
auf das Wort nimidas hingewiesen, das genau zum
gallischen nerneto- "heiliger Wald" stimmt. Der
ehrfurchtsvolle Schauder, den der Urwald dem Menschen
einflößt, hat viel zu dieser Verehrung beigetragen;
hier walteten Mächte, die gefährlich werden konnten und
die es zu beschwichtigen galt. Wie dieser Waldkult
gestaltet war, erfahren wir nicht; aber einiges läßt
sich wohl erraten. Das Wort für solche Wälder ist ahd.
laoh, loh, ndl. loo, ae. leah, leag, dessen Bedeutungen
jedoch vielfach wechseln: in Deutschland bedeutet es
gewöhnlich "niederes Gehölz oder Gestrüpp";
aber auch im allgemeinen "Wald"; in England
dagegen "Wiese". Es ist zu verbinden mit lat.
Lucus, das ebenfalls "heiliger Wald" bedeutet;
die Bedeutung war ursprünglich "offene Stelle im
Walde, Lichtung" und diese wurde gerade zum Kult
benützt. Ist schon von vornherein anzunehmen, daß ein
öffentlicher Kult auch einen gewissen Raum für die
sakralen Handlungen voraussetzt, so gibt es auch
bestimmte Anweisungen dafür. Die Mahlzeit, die Civilis
anrichten ließ, hat sicher auf einer solchen Lichtung
stattgefunden; die Heerzeichen sind wohl nicht irgendwo
zwischen den Bäumen aufgestellt worden, und die heiligen
Pferde haben auf solchen offenen Stellen geweidet. |
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Selbstverständlich
haben auch die Nordgermanen einen Waldkult gekannt. Das
beweisen schon die Ortsnamen, die mit den Worten lundr
und vidr zusammengesetzt sind, und deren erster Teil
einen Götternamen enthält, wie dän. Frølund, schw.
Ullunda oder schw. Frösvi, Mjärdevi. Wahrscheinlich ist
aber die Beziehung zum Götterkult erst später
entstanden; die Beispiele beschränken sich
hauptsächlich auf Ostskandinavien. Daneben ist aber der
Thor geweihte Eichenwald (Coill Tomair) bei Dublin zu
erwähnen (Marstrander 2, 8434). Der in Norwegen
einmal vorkommende Name Forsetlund beweist schon durch
die Verbindung mit dem Gotte Forseti, daß dieser Kult
zur Spätzeit des Heidentums gehört. |
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Heilig
war besonders der von den Menschen urbar gemachte Boden,
denn hier wirkten die Kräfte der Fruchtbarkeit, die erst
das Leben ermöglichen. Deshalb wurde der Acker den
Göttern geweiht, oder richtiger, er wurde als etwas
Heiliges dem Dienste der Götter vorbehalten, damit
dorther der Segen über den ganzen Bereich der Siedlung
ausstrahlen könne. Mit einer verwunderlichen Zähigkeit
haben zahlreiche skandinavische Ortsnamen die Erinnerung
an solche im Bauernleben verwurzelte Kulte bewahrt; durch
sie sind wir in der Lage, nicht nur die Art dieser Kulte
zu bestimmen, sondern auch ihre Entwicklung während
mindestens tausend Jahren zu verfolgen. Aus den
Untersuchungen von M. Olsen geht hervor, daß am Anfang
unserer Zeitrechnung der Götterkult besonders mit Weiden
und Äckern verbunden gewesen ist; darauf deuten die mit
vin und akr zusammengesetzten Ortsnamen, die sicherlich
bis in diese frühe Zeit zurückreichen. |
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In der
Völkerwanderungszeit, einer Periode der Gärung und
mannigfaltiger fremder Einflüsse, kommen andere
kultische Ortsnamen auf; diese deuten daraufhin, daß an
Stelle der alten Sippengemeinschaft jetzt die Einzelhöfe
eine wachsende Bedeutung bekommen haben. Das Wort heimr,
ursprünglich für den Bezirk eines ganzen Stammes
gebräuchlich (vgl. Prándheimr), bekommt jetzt eine sehr
beschränkte Verwendung, die wahrscheinlich durch den
Einfluß des in dieser Zeit hervortretenden politischen
und kulturellen Aufschwungs der Franken zu erklären ist.
In dieser Zeit (400600) entstehen auch Ortsnamen
vom Typus Frøisland, Ulland, Nerland, die auf einen in
dem Umkreis des Einzelgehöftes gepflegten privaten Kult
hindeuten (Olsen 14, 230ff.). In bestimmten Teilen
Norwegens ist während der letzten Periode des Heidentums
vangr der Name für einen öffentlichen Kultort gewesen;
es tritt neben hof auf und bedeutet wohl den Raum, der im
Anschluß an den heidnischen Tempel zu kultischen Zwecken
bestimmt war. Auf die enge Beziehung zwischen beiden
deutet ja der zuweilen vorkommende Name hofsvangr hin
(Olsen 14, 218). |
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Diese
gedrängte Übersicht, die Olsens reichhaltige
Untersuchung nur sehr dürftig wiedergibt, stellt uns
klar vor Augen, welche Einblicke die Erforschung der
Ortsnamen in die Geschichte der Kultformen zu geben
imstande ist, Dabei muß natürlich beachtet werden, daß
seine Schlußfolgerungen noch der Nachprüfung bedürfen
und vielleicht bei weiterer Forschung in mancher Hinsicht
geändert werden müssen; für die relative Chronologie
der theophoren Ortsnamen aber hat er eine sichere
Grundlage geschaffen. Auch gilt das hier Gesagte nur für
Norwegen. In Schweden und Dänemark waren die
Verhältnisse anders. Wenn wir das schwedische
Ortsnamenmaterial zum Vergleiche mit dem Norwegischen
heranziehen, so finden wir deutliche Abweichungen.
Während z. B. die akr-Namen in Schweden und Norwegen
reichlich vertreten sind, finden wir in Schweden (mit
einziger Ausnahme eines Namens Torsvin keine theophoren
vin-Namen. Die für die Völkerwanderungszeit in Norwegen
typischen Namenbildungen mit heimr und land sind in
Schweden kaum durchgedrungen; jedenfalls finden wir Namen
wir Fröland und Fröstland nur in Medelpad und
Ängermanland, wo die Möglichkeit eines Einflusses aus
Trondheim über die alte Handelsstraße dem Siljansee
entlang ja gegeben ist. Demgegenüber sind lund- und
tun-Namen in Schweden häufig; sie fehlen wieder fast
vollständig in Norwegen. Und wenn wir auf die Behandlung
der Namen mit vé, hof und horgr vorgreifen können wir
hinzufügen, daß die hof-Namen nur in Norwegen gefunden
werden, während die älteren horgr-Namen hier fehlen,
aber wiederum in Schweden vorkommen. Schließlich finden
wir Zusammensetzungen mit vé sehr häufig in Schweden,
selten in Dänemark (Ödinsvé), gar nicht in Norwegen.
Daraus ergibt sich, daß die Geschichte der öffentlichen
und privaten Kultformen in Schweden eine andere war als
in Norwegen; sie muß aber erst genauer untersucht
werden, ehe wir darüber abschließend urteilen können.
Daß in der Wikingerzeit diese Namengebung schon veraltet
war, geht aus den Ortsnamen auf Island hervor, die nur
ausnahmsweise mit dem Namen eines Gottes zusammengesetzt
sind. |
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