Stift Rellinghausen

Um das Jahr 840 vermählte sich ein Hardenberger namens Eggihard mit einer Rikhild von Ruoldinghus, wodurch er der Herr von Ruoldinghus (Rellinghausen) wurde. Aus dieser Ehe stammte der Sohn Thiadrik. Als dieser später sein Erbe angetreten hatte, geriet er in heftigen Streit mit der Abtei Werden, weil er Rechte und Ansprüche im Hardenberger Land mitgeerbt hatte, auf die auch Werden Ansprüche erhob.

Erst 40 Jahre zuvor hatte der Hl. Luidger die Benediktinerabtei Werden gegründet, und einige Jahre später wurde das Kanonissenstift in Essen durch Bischof Altfred von Hildesheim ins Leben gerufen. Natürlich gehörten zu den Klöstern auch die Kirchen bzw. Kapellen. Nach damaligem Recht mußten die Bauern diesen Kirchen auch einen Zehnten zahlen. (Eine frühe Form der Kirchensteuer.)

Aus einer Urkunde König Ottos I. vom 15. Januar 947 ist indirekt belegt, daß auch schon in Rellinghausen um das Jahr 850 (und wahrscheinlich schon früher) eine Kapelle vorhanden war. Diese stand auf dem Grund und Boden des schon erwähnten adligen Gutsherrn Eggihard (oder Eginghard) und war bereits von dessen Vorfahren erbaut worden. Dieses war der Grund dafür, daß die Rellinghauser Bauern damals nicht an den Abt von Werden, sondern an den Oberhof Eggihards zinsen mußten. Erst im Jahre 943 wurde dieses geändert, als anläßlich der Turmweihe der Werdener Kirche der Kölner Erzbischof Wigfried unter anderem den Zehnt von Rellinghausen an die Abtei Werden übertrug. Hierdurch wurde Rellinghausen zu einer Unterpfarrei des Werdener Klosters.

Um das Jahr 990 erwarb die Essener Äbtissin den Oberhof in Rellinghausen und gründete hier 996 ein neues Kanonissenstift. Während das Essener Stift nur den Töchtern des Hochadels vorbehalten war, sollten hier die Damen des Landadels (niederen Adels) aufgenommen werden. Die Frauen brauchten auch kein Gelübde abzulegen und konnten jederzeit (z.B. durch Heirat) das Stift wieder verlassen. Die Essener Äbtissin machte jedoch ihren Einfluß geltend, indem sie dem Stift als Pröbstin vorstand.

Der alte Rellinghauser Oberhof mußte dem Stift weichen und wurde etwa einen Kilometer östlich auf einem Feld neu erbaut. Weil das Feld der Kirche gehörte, bekam der Hof den Namen Kirchfeld.

Um dem Stift den nötigen Unterhalt zu sichern, statteten es die Äbtissin von Essen und der Abt von Werden reichhaltig aus. Man schenkte dem Stift Ländereien und eine große Anzahl von Höfen. Hierzu gehörten fast alle Höfe der Bauernschaften Hinsel, Holthausen und Byfang. Weil diese Höfe, von Rellinghausen aus gesehen über, oder oberhalb der Ruhr lagen, bürgerte sich schon bald der Name Oberruhr oder Überruhr ein. Alle diese Höfe mußten nun an den Oberhof Kirchfeld in Rellinghausen zinsen.

Von den Überruhrer Bauern wurde hierbei genannt: Keveloh, Springob, Lehmann, Becker, Becks, Krümpgen, Mönkhoff, Börgel, Köne, Esken, Hemmer, Nordmann, Stratmann, Dröge und Rahmann.

Das Einflußgebiet des Rellinghauser Stiftes stellte gleichzeitig das Kirchspiel Rellinghausen dar. Die Rellinghauser Priester waren deshalb auch für die Seelsorge in Überruhr zuständig.

Ungefähr 200 Jahre lang herrschte zwischen den Essener und Rellinghausener Damenstiften eine Art Mutter- und Tochter Beziehung. Wenn auch die Rellinghauser nicht so recht mit der Essener Bevormundung einverstanden waren, so wurden sie doch immer wieder von Essen gütlich bedacht und reich beschenkt.

Eine entscheidende Änderung begann erst, als im 14. Jahrhundert auf Anordnung von Kaiser Karl IV jedem Stift ein Vogt beigegeben wurde. Der Vogt hatte die Aufgabe, das Stift im Namen des Kaisers zu schützen und wohl auch dessen Interessen zu vertreten. Ihm oblag die weltliche Gerichtsbarkeit und die Militärgewalt. Diese Vögte waren meistens adelige Grundherren, die ihr Amt alsbald falsch verstanden und es dazu nutzen, ihren eigenen Herrschaftbereich auszudehnen und zu festigen. Obwohl dieses Amt eigentlich ein Ehrenamt war, hatten die Vögte doch mancherlei Einnahmen.

Die Bauern mußten nun auch ihnen Steuern zahlen (Vogtbede) und sie und ihren Troß verpflegen und beherbergen. Die Macht und der Einfluß der Vögte wurde immer größer, und aus dem "Beschützer" wurde nicht selten ein "Ausplünderer".

Gerade in Essen führte dieses Machtbestreben zu furchtbaren Ausmaßen, als nämlich 7. November 1225 der Kölner Erzbischof Engelbert vom Vogt Friedrich von Isenberg bei Gevelsberg heimtückisch ermordet wurde. Der König schritt nun mit aller Macht ein. Friedrich von Isenberg fiel in "Acht und Bann" und wurde am 15. Dezember 1226 in Köln "auf das Rad geflochten".

Die Machtkämpfe gingen aber schon bald weiter, und in der Folge wurde die mächtige Isenburg (im Stadtwald) erbaut. Da diese Burg zudem auch noch auf Werdener Gebiet stand, gab es erneut Streit zwischen den verschiedenen Herrschaftsgebieten. Schließlich einigte man sich darauf, daß die Burg einen abteilichen Burgverwalter (aus Werden) bekam und einen erzbischöflichen Burgmann, der die amtliche Bezeichnung Droste führte. Dieser Droste war der adlige Herr Heinrich von Vittinghoff. Da er nicht auf der Burg wohnen konnte, errichtete er in der Nähe seine eigene Wasserburg, den Stammsitz der Familie von Vittinghoff- Schell.

Die Isenburg wurde wenig später (1288) in Folge des limburgischen Erbstreites vom Grafen von der Mark geschliffen und bis auf die Grundmauern zerstört. (Man kann sie heute noch besichtigen) Der Graf von der Mark hatte die Vogtei über das Stift Essen. Vittinghoff aber hatte sich in den Schutz des Grafen von Limburg begeben, welcher der Vogt von Rellinghausen war.

So gerieten die beiden Stifte unter zwei verschiedene weltliche Machteinflüsse. Der Graf von Limburg war nun bestrebt, das Vogteigebiet von Rellinghausen zu einer selbständigen Landesherrschft auszubauen. Der erste große Schritt war die Einführung eines eigenen Gerichtes, welches vom Vogt und dem Stift gemeinsam ausgeübt wurde. Schließlich bestätigte der Kaiser das Rellinghauser Stift als "Kaiserlich- freiweltliches- Reichsstift". Es entstand die "Herrlichkeit Rellinghausen".

Man war nun eigenständig und von Essen losgelöst und unterstand, wie das Essener Stift und die Abtei Werden, nur noch dem Kaiser. Die Stifte wählten nun ihre Pröbstin selbst. Es konnte durchaus eine Dame aus dem Essener Stift, aber auf keinen Fall die Äbtissin sein.

Die Essener Äbtissinnen versuchten zwar immer wieder gegen diese Eigenständigkeit anzugehen, aber es gelang ihnen ca. 350 Jahre lang nicht.

Am 29. Juli 1454 verkaufte Johann von Vittinghoff gen. Schell seine Wasserburg an das Stift Rellinghausen. Er hatte zuvor von seinem Schwager Dietrich von der Leiten das "Haus auf dem Berge" (das Schloß Schellenberg) erworben. Mit der Wasserburg gingen auch sämtliche abhängigen Höfe an das Stift. Hierzu gehörte z. B. der Bauer Rahmann in Überruhr.

Die Reformation, die Gegenreformation, eine Reihe von Kriegen und wiederum 100 Jahre Streitigkeiten der Vögte gingen über das Rellinghauser Stift hinweg.

Auch das dunkle Kapitel der Hexenverfolgung trägt zur Rellinghausener Geschichte bei, soll aber hier nicht weiter beschrieben werden. Lediglich die Überruhrer Opfer seien hier erwähnt. Es waren Johann Hinderfeld und seine Frau Fie (Sophie), Mette Krumme, Tine Spieckhoff, Fie Esken, Grete Schürmann, Trine Lunken, Johan Hinselmann und Frau, Bauer Lehmann, Frau Lüllhoff, die Frau des Schmiedes, und ihre Tochter, Katharina Geilenberg und Marjen am Feld.

Das Stift wurde in dieser Zeit derart geschwächt und verarmt, daß es schließlich im Jahre 1661 doch zum Mutterstift nach Essen zurückkehrte. Der Stiftsvogt hatte zuvor auf seine Erbvogtei verzichtet und als Entschädigung 1800 Thaler und die Bauernschaft Byfang als eigenes Herrschafts- und Gerichtsgebiet als Lehen erhalten.

Mit einem Vergleichsvertrag vom 30. Juli 1661 stellte sich das Stift Rellinghausen wieder unter den Schutz der Essener Äbtissin. Der Vertrag sicherte den Rellinghausenern aber auch gewisse Rechte zu. So entstand z. B. die "Rellinghauser Observanz" die auch in Byfang unter dem Namen "Byfanger Observanz" zu Bedeutung kam.

Die Äbtissin sicherte hiermit eine Befreiung vom Kohlezehnt und sonstige Freiheiten im Bergbau zu. Dieses hatte jedoch einen vollkommen ungeordneten Bergbau zur Folge, welches später zu großen Problemen und Rechtsstreiten führte."

Die Rellinghauser Bürger haben 1996 das 1000jährige Bestehen Rellinghausens gefeiert.

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